Peking (dpa/tmn) – Für Moritz Hartmann und Quirin Schrewe war es die Lust am Unbekannten, die sie vor einem Jahr nach China zog. Das bevölkerungsreichste Land und die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt begegnen einem zwar täglich in den Nachrichten.
«Gefühlt weiß man aber trotzdem nichts über China», sagt Schrewe. Die beiden 22 Jahre alten Bayreuther BWL-Studenten leisteten in den vergangenen zwölf Monaten Pionierarbeit für ihre Universität. Sie gehörten zu den ersten Studierenden ihres Fachbereichs, die ein neues Programm in Kooperation mit dem Pekinger Institute of Technology (BIT) absolvierten. Am Ende des sogenannten «Double-Degree»-Programms wartet auf Teilnehmer sowohl ein deutscher als auch ein chinesischer Bachelor-Abschluss.
Eine wichtige Lektion über China lernten Hartmann und Schrewe gleich nach ihrer Ankunft: «Wer nach China kommt, sollte eher eine flexible und geduldige Persönlichkeit haben», sagt Hartmann: «Von deutscher Pünktlichkeit kann man sich verabschieden, und viele Dinge sind einfach nicht so gut planbar.» Das Urteil von Hartmann und Schrewe am Ende ihres Aufenthalts fällt trotzdem sehr positiv aus. Das Jahr in China habe sich in jedem Fall gelohnt, und das nicht nur wegen des Studiums: «Du kommst vielleicht wegen der Wirtschaft, aber du bleibst wegen der Kultur und der Leute», sagt Hartmann begeistert.
Auch die meisten Vorurteile, die in Deutschland über China herrschen, bestätigten sich für die Austauschstudenten nicht: «Die Chinesen sind nicht so verschlossen, wie man immer hört», sagt Schrewe. Auch der Unterricht verlief anders, als es sich die Deutschen vorgestellt hatten: Hörsäle mit Hunderten Studierenden wie in Deutschland seien ihnen in ihrer Zeit in Peking nicht untergekommen. «Die Seminare haben durchschnittlich 30 Teilnehmer», lobt Schrewe. Das Verhältnis zu den Professoren sei persönlicher als in Deutschland.
Während China lange vor allem für Sinologie-Studenten interessant war, nimmt seit einigen Jahren die Zahl von Auslandsstudenten zu, die wie Hartmann und Schrewe andere Fächer studieren. Programme mit deutsch-chinesischem
Doppelabschlusserfreuen sich laut Deutschem Akademischen Austausch-Dienst (DAAD) immer größerer Beliebtheit.
So erhalten in diesem Jahr laut Angaben des DAAD mindestens 80 deutsche Studenten in verschiedenen technischen Fächern sowie Wirtschaft und Management einen Bachelor an der Schanghaier Tongji Universität. Eine bereits etablierte Kooperation gibt es zwischen der RWTH Aachen und der Tsinghua Universität in Peking, bei der Studenten am Ende ihres Studiums zusammen mit dem Aachener Masterabschluss einen der Tsinghua Universität erhalten. «Solchen Programmen gehört die Zukunft», sagt Thomas Schmidt-Dörr, Leiter der DAAD-Außenstelle in Peking.
Trotz der Vielzahl neuer Angebote: Die Zahl deutscher Studenten in China ist 2015 erstmals seit Jahren zurückgegangen. Aus Deutschland wurden 2015 insgesamt 7536 Studenten gezählt, 657 Studenten oder acht Prozent weniger als im Vorjahr.
«Ganz sicher hat die weltweite wiederholte Berichterstattung über Luftverschmutzung und Umweltbelastung in Peking und anderen chinesischen Großstädten einen negativen Einfluss», sagt Schmidt-Dörr. Hinzu kommen laut Schmidt-Dörr schärfere ausländerrechtliche Bestimmungen. Zu einem Problem hat sich für viele ausländische Studenten das Thema Praktikum entwickelt. Laut DAAD werden deutsche Studierende, die nach einem Semester an der Uni ein Praktikum in China absolvieren wollen, in vielen Fällen «massiv behindert», weil die zuständigen Behörden oder Universitäten keine Genehmigung erteilen und die Studierenden somit kein Visum für ein Praktikum erhalten.
Abraten will Schmidt-Dörr trotz der Komplikationen dennoch nicht von einem Studienaufenthalt in China. «Wenn Sie sich das Volumen der deutsch-chinesischen Wirtschaft vergegenwärtigen, dann ist eine Spezialisierung in jedem Fall wichtig und auch weiterhin zu empfehlen», sagt Schmidt-Dörr.
Fotocredits: Jörn Petring,Moritz Hartmann,Quirin Schrewe
(dpa)