Köln – Handwerk und Wissenschaft: Martin Over wollte beides. «Ich bin schon mehr der Praktiker», sagt der 22-Jährige. Trotzdem wollte er auch theoretisch tiefer einsteigen.
Beim trialen Studiengang
Handwerksmanagement in Köln wurde er fündig: Innerhalb von viereinhalb Jahren durchläuft er dort eine duale Ausbildung zum Dachdecker, dazu kommen ein Meisterkurs und ein Bachelor.
Würde man dieses Programm nacheinander absolvieren, wäre man acht bis neun Jahre beschäftigt, sagt Prof. Sascha Lord von der
Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Köln. Warum das alles? Heutzutage sei es wichtig, zum Beispiel Trends, Zielgruppen und Alleinstellungsmerkmale des Unternehmens zu erkennen, sagt Lord. Der Vorteil der trialen Absolventen: Sie kennen beide Seiten – das Handwerk und die betriebswirtschaftlichen Hintergründe.
Triale Studiengänge in Kooperation mit lokalen Handwerkskammern bieten die private Fachhochschule des Mittelstands an den Standorten Köln, Schwerin und Hannover sowie die
Hochschule Niederrhein mit Sitz in Krefeld an.
In Köln beginnen die Studenten mit einer auf zweieinhalb Jahre verkürzten dualen Ausbildung in Handwerksbetrieb und Berufsschule. An manchen Abenden nehmen sie an Online-Vorlesungen teil, jede zweite Woche gibt es freitags und samstags Präsenzunterricht. Dort lernen sie kaufmännische, betriebswirtschaftliche sowie rechtliche Grundlagen und erwerben zwei weitere Abschlüsse: zum Geprüften Betriebswirt nach der Handwerksordnung und zum Geprüften Fachmann oder zur Fachfrau für kaufmännische Betriebsführung.
Den Sonntag habe er meist zum Lernen genutzt, erzählt Martin Over. Wer ein triales Studium beginnt, sollte sich bewusst sein, dass es anspruchsvoll ist. Seine Dachdecker-Ausbildung hat Over bereits geschafft, nun studiert er für einige Monate Vollzeit an der FHM. Danach wird er noch seine Bachelor-Arbeit schreiben und den Meisterkurs absolvieren.
«Das Problem ist, dass die Belastung nie wirklich abnimmt. Die Studenten sind viereinhalb Jahre unter Volldampf», erklärt Sascha Lord. Für Urlaube sei kaum Zeit. Dafür seien die beruflichen Chancen danach sehr gut. «Einen arbeitslosen trialen Absolventen gibt es nicht», sagt Michael Brücken von der Handwerkskammer in Köln, der das triale Studium mit entwickelt hat und Interessenten berät.
Die Idee hinter dem Studium ist, in erster Linie Führungsnachwuchs für kleinere und mittelständische Handwerksbetriebe auszubilden. Mit dem trialen Studium will das Handwerk zudem attraktiver für leistungsstarke Schüler werden. Denn während Anfang der 1970er Jahre nur etwa 10 Prozent der Schulabgänger Abitur hatten, seien es heute bis zu 60 Prozent, erklärt Michael Brücken. Um die habe man sich lange nicht genug bemüht.
Im Bewerbungsverfahren geht es aber nicht nur um den Abschluss. «Da sind uns andere Kriterien als die Abiturnote wichtig», sagt Brücken. Das Studium sei nicht auf bestimmte Gewerke beschränkt. Ob Tischler, Maler, Kfz-Mechaniker, Bestatter, Orthopädieschuhmacher, Bäcker, Gebäudereiniger oder Konditor: «Das bietet sich für alle an.»
Martin Over ist sehr zufrieden mit seiner Wahl. Er hat Glück: Sein Betrieb kann die Kosten für seine Ausbildung von der Steuer absetzen. Andere Kommilitonen hätten einen Kredit aufgenommen, erzählt er. Denn in Köln kostet das Studium etwa 400 Euro im Monat, hinzu kommen noch die Gebühren für die Meisterkurse.
Fotocredits: Henning Kaiser,Henning Kaiser,Henning Kaiser,Henning Kaiser,Henning Kaiser,Henning Kaiser,Henning Kaiser
(dpa/tmn)