Berlin/Gütersloh – Als Barbara Obermaier ihr Studium begann, hatte sie mit ihren 21 Jahren bereits eine Ausbildung absolviert und Berufserfahrung gesammelt.
Bis zum Abitur weiterzumachen, war ihr zu Schulzeiten nicht in den Sinn gekommen. «Damals war ein Studium noch kein Thema für mich», erzählt die heute 24-Jährige. Sie entschied sich für eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einem Pharma-Unternehmen, um den Weg in den kaufmännischen Bereich zu gehen. «Danach wollte ich erst mal in meinem Beruf arbeiten», erzählt sie.
Aufstiegschancen im Blick
Später jedoch merkte sie, dass bestimmte Positionen an ein Studium geknüpft waren. Die Aufstiegschancen waren begrenzt. Außerdem bekam sie Lust, sich weiterzubilden. «Etwas Neues zu lernen hat mir immer schon Spaß gemacht», erzählt sie.
Inzwischen sind bundesweit etwas mehr als 8000 Studiengänge für Studierende ohne Abitur zugänglich, sagt Sigrun Nickel vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Im Jahr 2017 gab es nach Angaben des CHE in Deutschland rund 60.000 Studierende ohne Abitur.
Für den sogenannten «fachgebundenen Hochschulzugang» reichen eine abgeschlossene, mindestens zweijährige Ausbildung und mehrjährige Berufserfahrung. Danach ist es möglich ein Fach zu studieren, das zum erlernten Beruf passt. Barbara Obermaier beispielsweise entschied sich für Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. Ob man auch etwas ganz anderes studieren kann, hängt vom Bundesland ab. Wer schon einen Meister hat, Fachwirt oder Fachkaufmann ist, kann in der Regel alle Fächer studieren.
Bundesländerregelungen
«Es ist für Menschen ohne Hochschulzugangsberechtigung immer noch ziemlich schwierig, sich durch die einzelnen Bundesländerregelungen zu arbeiten», sagt Sigrun Nickel. Deswegen hat das CHE auf der Seite www.studieren-ohne-abitur.de Infos und Links zusammengetragen. Auch für Barbara Obermaier war es nicht einfach, herauszufinden, wo man was erfüllen muss. Der wichtigste Schritt sei aber, es zu wagen – und die künftigen Möglichkeiten im Blick zu behalten.
Gedanken darüber, ob man als älterer Student Anschluss findet, muss man sich nicht machen. Unter Obermaiers Kommilitoninnen und Kommilitonen sind zum Beispiel einige Berufserfahrene. «Da haben sich gleich Lerngruppen gebildet.»
Durch den Mathe- und Physikstoff, den die Abiturienten in der Oberstufe gelernt haben, musste sich Obermaier zum Beispiel mühsam durcharbeiten. «Dafür ist mir der betriebswirtschaftliche Teil des Studiums leicht gefallen», erzählt sie. Von ihren Mitstudierenden habe sie viel Respekt geerntet. Zweifel, ob sie das schaffen würde, seien eher im privaten Bereich aufgekommen. Mit ihren hervorragenden Leistungen aber zeigt sie, dass es geht. «Ich finde es spannend, sich noch mal herauszufordern.»
Die Frage der Finanzierung
Für die beruflich Qualifizierten stellt sich die Frage, wie sie ihr Voll- oder Teilzeitstudium finanzieren können. «Die Studierenden ohne Abitur sind im Durchschnitt deutlich älter als die ,traditionellen’ Studierenden. Sie haben beispielsweise familiäre Verpflichtungen», sagt Nickel. Nur ein Teil von ihnen sei berechtigt, Bafög zu empfangen, von den meisten Stipendien seien sie ausgeschlossen.
Das Aufstiegsstipendium für Berufserfahrene, ein Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, bildet eine Ausnahme. Obermaier hat schon vor ihrem Studium das mehrstufige Bewerbungsverfahren durchlaufen. Sie bekommt nun eine Förderung von 815 Euro monatlich und kann an Seminaren und Treffen mit anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten teilnehmen. Bewerben können sich Menschen, die eine Ausbildung absolviert haben und danach mindestens zwei Jahre berufstätig waren. Der Schulabschluss spielt keine Rolle.
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(dpa/tmn)