Stuttgart – Zumindest in der Vitrine der Abteilung von Manfred Wacker ist bereits erreicht, was in einigen Jahren auf dem Vaihinger Universitätscampus Alltag werden soll. Eine kleine Spielzeug-Lokomotive aus Holz zieht dort auf einem Brett ihre bunten Waggons hinter sich her.

«Ein Geschenk für einen Professor», sagt Verkehrsplaner Wacker. Genau so emissionsfrei wie es der Campus der Stuttgarter Hochschule werden soll – und nicht nur der. Denn wie in Versuchslaboren für Wohnquartiere tüfteln derzeit Wissenschaftler und Studenten mehrerer Hochschulen in Baden-Württemberg daran, ihren Campus so zu gestalten, dass kein Kohlendioxid mehr ausgestoßen wird.

Viele Ideen in Vaihinger Akademiker-Kreisen

Mobility Living Lab nennen das die Vaihinger Akademiker, Wacker ist stellvertretender Leiter des Lehrstuhls für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik – und Projektleiter. Das Ziel: «Wir wollen Vorreiter in der emissionsarmen Mobilität in der Praxis und in der Forschung sein», sagt Wacker, einst selbst Vaihinger Student. Klimaneutrale, elektrische und intelligente Angebote sollen für Bewegung auf dem Campus sorgen, Autos werden soweit es geht verbannt.

«Wir können unser Projekt in viele Teile zerlegen, das ist das Bestechende daran», sagt Wacker. «Und die Technologie, die wir brauchen, haben wir eigentlich auch schon. Wir müssen sie nur noch zu einem Konzept zusammenfügen.»

Eine der zentralen Säulen dieses Konzepts ist der Bau eines Parkhauses mit 3000 Parkplätzen am Rande des Campus über der Bundesstraße 14. Der Uni schwebt vor, auf dem Dach mit einer Solaranlage den Strom zu produzieren, mit dem geparkte Autos und Shuttlebusse ebenso wie Elektroroller geladen werden können. Außerdem soll das regionale Fahrradverleihsystem RegioRadStuttgart auf den Campus ausgedehnt werden. «Damit kann die Universität besser mit dem Rad erreicht werden», sagt Wacker.

Ein autonom fahrender E-Roller für kürzere Wege

Rund 40.000 Fußwege werden nach Angaben der Universität Tag für Tag auf dem Uni-Gelände zurückgelegt, etwa 40 Prozent davon sind mehr als 400 Meter lang. Fallen die Parkplätze weg, werden die Wege länger. Deshalb wird auch ein autonom fahrender E-Scooter getestet. Seinen Weg zur Ladestation findet er selbst – langsam, ohne Fahrer und rund um die Uhr. «Der E-Scooter erkennt über Sensoren seine Umgebung, er kann Hindernissen ausweichen und navigiert autonom», erklärt Wacker. Entwickelt wird der Leih-Roller vom Institut für Systemtheorie und Regelungstechnik der Uni Stuttgart, einem der Partner des Projekts an der Uni Vaihingen.

Mit einem besonderen Verteilalgorithmus soll sichergestellt werden, dass das E-Scooter-Verleihsystem optimal genutzt wird. Feste Abstellplätze wird es nicht geben. Statt der eigentlich benötigten rund 6000 E-Scooter zu Spitzenzeiten zum Beispiel bei Vorlesungen würden 600 autonome Scooter ausreichen, schätzt Wacker. Jeder E-Scooter würde dann pro Tag nicht nur 3, sondern knapp 30 Fahrer befördern. «Die leeren E-Scooter fahren dorthin, wo sie gerade benötigt werden», erklärt Wacker.

Das Konzept rundet ein Campus-Shuttle ab, der das zentrale Parkhaus und die S-Bahn mit dem zwei Quadratkilometer großen Campus verbindet. Während der Fahrt lädt sich der autonome Shuttle auf. «Vielleicht ist es dann in einem nächsten Schritt auch möglich, die Busse über eine App anzufordern», sagt Wacker. Denkbar sei auch eine Straße, auf der sich ein Wagen während der Fahrt induktiv über Spulen in der Fahrbahn lädt. Ein weiterer Vorteil: Durch «MobiLab» werden Flächen frei, die genutzt werden können.

Verschiedene Konzepte von Hochschulen im Wettbewerb

Vaihingen hat die Idee eines «intelligenten Campus» als Labor von Morgen natürlich nicht für sich gepachtet.
An einem Wettbewerb des Wissenschaftsministeriums haben sich elf Hochschulen beteiligt, die fünf besten sollen am Dienstag (17.15 Uhr) in Stuttgart ausgezeichnet werden. Während die einen aufs Fahrrad setzen und andere auf Elektroshuttles, schlägt einer der Bewerber eine Seilbahn vor. Die Hochschulen könnten als Schrittmacher für die Städte vorangehen und zeigen, wie nachhaltige Mobilität nutzerfreundlich umgesetzt werden kann, wirbt Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne).

Mit dabei ist am Dienstag auch die Hochschule Biberach (HBC). Sie träumt ebenfalls vom emissionsfreien Campus und verbindet in ihrem Konzept die Themenbereiche Mobilität, Wohnen und Campus. Belange der Stadt werden ebenso beleuchtet wie die Perspektive auf den Lern- und Wohnort Biberach. Geplant ist ein Mix – von der hochschuleigenen E-Roller-Flotte bis hin zu Mitfahrbänken entlang der Hauptkorridore außerhalb der Stadt oder dem Ausbau von Studentenwohnungen direkt am Campus. Wichtiger Aspekt des Biberacher Konzepts: es muss übertragbar sein auf andere Systeme. Die Campus werde als «Stadt im Kleinen» betrachtet, sagte Biberachs Kanzler Thomas Schwäble.

Fotocredits: Tom Weller
(dpa)

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