Köln – Der moderne Student schreibt nicht einfach ab – er hat einen Bluetooth-Stecker im Ohr und lässt sich die Antworten von einem Kommilitonen außerhalb des Hörsaals einflüstern. Was Studenten sich so alles einfallen lassen, um sich bei Prüfungen durchzumogeln, ist überraschend.

Andere sollten sich aber vorsehen, solche Versuche nachzumachen. Denn es drohen harte Strafen. Schummeln im Studium ist weit verbreitet. Vier von fünf Studenten geben zu, bei Prüfungen zu unsauberen Tricks zu greifen. Das zeigt eine Studie, die der Soziologe Sebastian Sattler an der Universität Bielefeld erstellt hat. Dafür wurden von 2009 bis 2012 mehrfach je 2000 bis 6000 Studenten verschiedener Hochschulen befragt. Die Palette reicht vom Spickzettel und dem Abschreiben in Klausuren über das Fälschen von Laborergebnissen bis hin zum Plagiat.

Das Problem kennt auch Juraprofessor Gerhard Dannemann von der Humboldt-Universität zu Berlin, der sich mit dem Thema Plagiate intensiv auseinandergesetzt hat. Er schätzt, dass hierzulande in etwa einem Fünftel der Bachelor- und Masterarbeiten abgekupfert wird.

Studenten sind beim Schummeln erfinderisch: So ist der Spickzettel 2.0 kein handgeschriebener Zettel mehr. Studenten drucken sich vielmehr Flaschenetiketten aus und verwandeln das Kleingedruckte zur Formelsammlung – passende Vorlagen gibt es im Internet. Andere verschicken Handyfotos der Aufgaben. Die Lösung kommt per SMS oder eben mündlich über einen drahtlosen Knopf im Ohr. Einige verstecken ihr Smartphone in einem Kakao-Tetrapak, das sich aufklappen lässt.

Der nächste logische Schritt sind Smartwatches als Spickzettel. Eine ausländische Firma bietet im Netz Schummel-Uhren im Set mit einer Spezialbrille an – nur mit ihr ist der digitale Spickzettel zu lesen, für andere sieht der Bildschirm leer aus, verspricht der Hersteller. «Das ist wie beim Doping im Sport – es gibt immer etwas Neues, und die Jäger sind oft einen Schritt hinterher», sagt Sattler.

Auf viele Tricks haben Hochschulen aber inzwischen reagiert. Dazu gehört etwa ein striktes Handyverbot in Klausuren. Klingelt im Raum ein Telefon, wird das teilweise schon als Täuschungsversuch gewertet, erklärt Sattler. Jemand anderen zur Prüfung schicken? Das klappt oft nicht mehr. Denn vielfach werde heute der Personalausweis überprüft, ergänzt Dannemann. Und gegen Plagiate gehen die Hochschulen systematisch mit spezieller Software vor.

Manche Tricks sind aber auch ganz altmodisch: Vieles spielt sich immer noch auf dem Klo ab, hat Dannemann beobachtet. Dort wartet dann entweder ein Spickzettel, ein Lehrbuch oder ein Kommilitone.

Was sich wohl nicht jeder klarmacht: Schummel-Studenten drohen harte Strafen. Das fängt an beim Punkteabzug, wenn etwa in einer Hausarbeit Zitate teilweise nicht gekennzeichnet sind, sagt Roland Schimmel, Juraprofessor an der Frankfurt University of Applied Sciences. Wird eine Prüfung als durchgefallen gewertet, kann das im Bachelor gravierende Folgen haben, ergänzt Dannemann. Denn wenn es eine Pflichtprüfung ist und sie nicht wiederholt werden kann, ist das Studium damit beendet. Und mitunter regelten Prüfungsordnungen, dass Studenten nach Täuschungsversuchen endgültig durchgefallen sind.

Immer wieder kommt es aber auch vor, dass Studenten sich beim Schummeln selbst entlarven. In einem Fall wollten zwei Studentinnen auf Teamarbeit setzen: Die eine bearbeitete Aufgabe eins in doppelter Ausführung, die andere Aufgabe zwei. Vor der Abgabe tauschten sie heimlich Zettel aus, erzählt Schimmel. Dumm nur: Das Klausurpapier hatte unterschiedliche Farben. Die Zettel der einen Studentin waren grün, die der anderen blau.

Service:

Literatur: Roland Schimmel: Von der hohen Kunst ein Plagiat zu fertigen: Eine Anleitung in 10 Schritten, Lit Verlag, 2011, 96 S., 7,90 Euro, ISBN-13 978-3643112484

Fotocredits: Franziska Gabbert
(dpa/tmn)

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